Verfahrensrecht | Korrektur bestandskräftiger Bescheide nach Außenprüfung (BFH)

    Die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt hat, ist eine Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Dies gilt im Fall der Einnahmenüberschussrechnung nicht nur für Aufzeichnungen über den Wareneingang gem. § 143 AO, sondern ebenso für sonstige Aufzeichnungen und die übrige Belegsammlung (BFH, Urteil v. 6.5.2024 - III R 14/22; veröffentlicht am 4.7.2024).

    Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über Hinzuschätzungen aufgrund einer Außenprüfung.

    Der Kläger ermittelte den Gewinn für den von ihm betriebenen Einkaufsladen in den Streitjahren 2013 und 2014 im Wege der Einnahmenüberschussrechnung. Das FA veranlagte die Kläger zunächst erklärungsgemäß und ohne Vorbehalt der Nachprüfung zur Einkommensteuer 2013 und 2014.

    Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Prüfer formelle Mängel bei der Erfüllung der Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG und §§ 63-68 UStDV fest (u. a. Fehlen fortlaufender Kassenberichte, die auf einer tatsächlichen Auszählung der offenen Ladenkasse beruhen) und nahm Hinzuschätzungen (Sicherheitszuschlag i. H. von 10 % der Barerlöse) vor. Anhand einer Richtsatzschätzung untermauerte der Prüfer die Hinzuschätzungen. Das FA erließ daraufhin Änderungsbescheide, u. a. geänderte Einkommensteuerbescheide für 2013 und 2014 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die hiergegen erhobenen Einsprüche der Kläger blieben erfolglos.

    Das Niedersächsische FG gab der anschließend erhobenen Klage statt (Urteil v. 21.8.2020 - 3 K 208/18). Der Prüfer habe keine materiellen Mängel feststellen können. Auch wenn eine Richtsatzschätzung eine von der Rechtsprechung anerkannte Schätzungsmethode darstellt, könne sie keinen sicheren Nachweis zum Vorhandensein von materiellen Mängeln erbringen. Lediglich formelle Mängel der Kassenführung könnten keine Korrektur i. S. von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtfertigen.

    Der BFH hat die Revision als begründet angesehen, das FG-Urteil insoweit aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:

    • § 4 Abs. 3 EStG enthält zwar keine Verpflichtung zur förmlichen Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben; eine ordnungsgemäße Einnahmenüberschussrechnung setzt aber voraus, dass ihre Höhe durch Belege nachgewiesen wird (BFH, Urteile v. 12.12.2017 - VIII R 6/14, BFH/NV 2018, 606, Rz 54 und v. 12.2.2020 - X R 8/18, BFH/NV 2020, 1045, Rz 20).
       
    • Ist die Art und Weise der Führung der Aufzeichnungen erst nachträglich bekannt geworden, ist das FA grds. zu einer Änderung der bestandskräftigen Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (neue Tatsachen) berechtigt.
       
    • Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Regelung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO eine Änderung bestandskräftiger (Einkommen-)Steuerbescheide im Nachgang zu einer Außenprüfung nur dann zulasse, wenn sicher feststehe, dass der Steuerpflichtige Betriebseinnahmen nicht aufgezeichnet hat.
       
    • Sowohl bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht als auch bei Verletzung der Aufzeichnungspflicht ist das FA dem Grunde nach zur Schätzung gem. § 162 Abs. 1 und 2 AO berechtigt (BFH, Urteil v. 26.2.2004 - XI R 25/02, BStBl II 2004, 599, unter II.1.e).
       
    • Das FG muss im zweiten Rechtsgang prüfen, ob die die Voraussetzungen für eine Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen aufgrund der festgestellten Mängel vorliegen.

    Quelle:BFH, Urteil v. 6.5.2024 - III R 14/22; NWB Datenbank (cg)

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