Kapitalertragsteuer | Rückforderung bei Cum-/Ex-Geschäften (FG)

    Die Bescheinigung über Kapitalertragsteuer liefert keinen Vollbeweis für die Erhebung der Kapitalertragsteuer (Hessisches FG, Beschluss v. 6.4.2021 - 4 V 723/20; rechtskräftig).

    Hintergrund: Hintergrund der „Cum- /ex-Geschäfte" ist der Handel von Aktien mit („cum") und ohne („ex") Dividendenberechtigung rund um einen Dividendenstichtag, der bei bestimmter Gestaltung die Gefahr einer doppelten/mehrfachen Anrechnung von (einmal erhobener) Kapitalertragsteuer in sich trägt.

    Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Aussetzung der Vollziehung einer geänderten Anrechnungsverfügung über Kapitalertragsteuer. Streitig ist, ob Kapitalertragsteuer aus Cum/ex-Geschäften in Höhe von ca. 17 Millionen € steuermindernd angerechnet werden kann und ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Änderung der Anrechnungsverfügung mit der zunächst eine Anrechnung gewährt wurde, vorliegen.

    Hierzu führten die Richter des Hessischen FG weiter aus:

    • Die Kapitalertragsteuerbescheinigung ist ein unverzichtbares zusätzliches Nachweismittel, um eine praktikable und rechtssichere Durchführung der Kapitalertragssteueranrechnung zu ermöglichen. Sie liefert keinen Vollbeweis für die Erhebung der Kapitalertragsteuer.
    • Der Anscheinsbeweis der Steuerbescheinigung für die Erhebung der Kapitalertragsteuer greift nicht ein, wenn Indizien vorliegen, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür begründen, dass die erworbenen Aktien aus einem Leerverkauf stammen und von einer ausländischen Depotbank bezogen wurden.
    • Deckt sich ein Broker bei sog. Back-to-Back-Geschäften mit Aktien von einer ausländischen Depotbank ein, besteht kein Anscheinsbeweis zu Gunsten der Erhebung von Kapitalertragsteuer bei Auszahlung der Nettodividende an die Depotbank des Aktienkäufers.
    • Die Verpflichtung zur Abführung der Kapitalertragsteuer durch eine inländische Depotbank des Verkäufers besteht bei Abwicklung des Veräußerungsgeschäfts auch dann, wenn das den Kaufauftrag ausführende Kreditinstitut in das Zustandekommen des Veräußerungsgeschäfts nicht eingebunden war.
    • Ist bei Aktienverkäufen das die Dividendenkompensationszahlung auszahlende Kreditinstitut nicht gleichzeitig das Institut, das die dingliche Erfüllung durch Übertragung der Aktien vornimmt (Depotbank), besteht die Verpflichtung zum Einbehalt der Kapitalertragsteuer für das auszahlende inländische Kreditinstitut.
    • Bei Cum/ex-Geschäften lässt ein nahezu zeitgleicher Rückverlauf der gekauften Aktien über die Futures oder Calloptionen an die ursprünglichen Aktienverkäufer, der bei einer Differenzbetrachtung dieser Geschäfte durch Gegenüberstellung der ursprünglichen Verkaufspreise mit den Rückkaufpreisen über die Futures bzw. die Calloptionen zuzüglich der Nettodividende zu einem Verlust führt, darauf schließen, dass keine Kapitalertragssteuer erhoben wurde.
    • Bei Übertragung der Aktien im Rahmen von Cum/ex-Geschäften zwischen der ausländischen Lagerstelle des Aktienverkäufers im internen Verfahren "free of payment" auf dessen inländische Lagerstelle und von dort auf das Depotkonto des Aktienkäufers, lässt sich daraus bei sog. Back-to-Back Geschäften eines zwischengeschalteten Brokers auf eine Verrechnung mit Eindeckungsgeschäften im Ausland, bei denen keine Kapitalertragssteuer erhoben wurde.
    • Eine Handelsmarge, die über die marktübliche Rendite bei Arbitragegeschäften von 2-3% deutlich hinausgeht, weist regelmäßig auf Aktiengeschäften hin, bei denen sie nicht erhobene Kapitalertragssteuer zwischen den Vertragsparteien aufgeteilt worden ist. Eine solch hohe Handelsmarge lässt auf eine Preisabsprache zwischen den Parteien der Aktiengeschäfte zur Aufteilung des Gewinnpotentials in Höhe der nicht erhobenen Kapitalertragssteuer schließen.
    • Einer vorrangigen Inanspruchnahme des den Kaufvertrag ausführenden Kreditinstituts als möglichen Haftungsschuldner nach § 44 Abs. 5 EStG zur Entrichtung der Kapitalertragssteuer bedarf es im Rahmen der Rücknahme einer Unrecht gewährten Anrechnung nicht.

    Hinweis: Die Entscheidung erging im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Der Beschluss ist rechtskräftig. Der Volltext ist unter der Angabe des Az. in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Hessen abrufbar, eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.

    Quelle: Hessisches FG, Pressemitteilung v. 10.6.2021 sowie Rechtsprechungsdatenbank des Landes Hessen (il)

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