Einkommensteuer | Grundfreibetrag in den Jahren 2023 und 2024 grundrechtskonform (FG)

    § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des InflAusG (Grundfreibetrag) ist sowohl für den VZ 2023 als auch für den VZ 2024 anzuwenden. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO und eine Vorlage zum BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 des GG sind im Streitfall nicht geboten, da das Gericht - trotz bestehender verfassungsrechtlicher Bedenken - nicht von der Verfassungswidrigkeit der Vorschriften des § 32a Abs. 1 S. 2 EStG i.d.F. des InflAusG überzeugt ist (Schleswig-Holsteinisches FG, Gerichtsbescheid v. 28.3.2024 - 1 K 37/23; Revision anhängig, BFH-Az. III R 26/24).

    Sachverhalt: Die Kläger hatten sich gegen ihre Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheide für die Jahre 2023 und 2024 gewandt und dabei vorgetragen, dass der bei der Berechnung berücksichtigte Grundfreibetrag - in seiner Gestalt nach dem Inflationsausgleichsgesetz - bereits in seiner absoluten Höhe verfassungswidrig sei, weil er die tatsächliche Entwicklung der Inflation nicht hinreichend berücksichtigt habe. Außerdem folge eine Verfassungswidrigkeit auch daraus, dass die Zuwendungen im Sozialhilferecht über dem Betrag lägen, den das Einkommensteuergesetz von einer Einkommensbesteuerung verschone. Dies verstoße gegen den Grundsatz, dass der Gesetzgeber das von ihm selbst definierte (sozialrechtliche) Existenzminimum auch im einkommensteuerlichen Grundfreibetrag berücksichtigen müsse.

    Der 1. Senat wies die Klage ab, ohne das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen:

    • Zwar bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags; eine Vorlage zum Verfassungsgericht verlangt aber eine „Überzeugung“ von der Verfassungswidrigkeit, die der Senat nicht hat.
       
    • Die Zweifel rühren unter anderem daher, dass der Gesetzgeber bei der Berechnung des Grundfreibetrags für 2024 einen Regelbedarf berücksichtigt hat, der um 312 EUR (bezogen auf das Jahr) niedriger ist, als der Regelbedarf, der im Sozialrecht gewährt wird. Selbst unter Berücksichtigung der Erhöhung des Grundfreibetrags zum Ausgleich der "kalten Progression“ um weitere 132 €, wird im Steuerrecht so ein um (312 € abzüglich 132 € =) 180 € jährlich (15 € monatlich) geringerer Regelbedarf zugrunde gelegt als im Sozialrecht.
       
    • Aufgrund des vom BVerfG gewährten Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers führt diese Abweichung jedoch (noch) nicht dazu, dass der Senat von der Verfassungswidrigkeit „überzeugt“ ist.

    Hinweis:
    Gegen die Entscheidung wurde die im Gerichtsbescheid zugelassene Revision eingelegt. Das Verfahren wird beim BFH unter dem Az. III R 26/24 geführt.
    Inzwischen liegt mit dem Entwurf eines Gesetzes "zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024" ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor (BT-Drucks. 20/12783), der eine Anhebung des Grundfreibetrags um 180 € auf 11.784 € für das Jahr 2024 zum Gegenstand hat (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 26.9.2024).


    Quelle: Schleswig-Holsteinisches FG, Newsletter II/2024 (il)

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